Unsere Pauluskirche

Die Geschichte unserer Glocken

Man begann interessiert die Inschriften und Einritzungen jeder einzelnen Glocke zu untersuchen. Eine genaue Beschreibung, was sich auf den Glocken eingeritzt befindet möchte ich direkt aus den Aufzeichnungen des Schuldirektors i.R. und damals stellvertretenden Vorsitzenden des Kirchenvorstandes, Friedrich Mahn übernehmen, weil man sie nicht besser beschreiben kann.

Zitat: "Die große, die tiefe, die Des-Glocke: Sie hängt in der Mitte des Turmes. An ihrer Nordseite, jedoch nicht am Kranze, der überhaupt bei keiner Glocke beschieben ist, steht der erste Teil des Lobpreises der Engel: "Ehre sei Gott in der Höhe!" Inmitten dieser Worte, die etwas auseinandergezogen stehen, ist die Legendengestalt des Christophorus mit dem Jesuskinde auf den Schultern sichtbar. Aber dieser Christophorus ist nicht als Greis, sondern als ein Mann im gereiften Lebensalter dargestellt. Auf der Südseite der Glocke steht geschrieben:

-Christmettengemeinde Sehma im Erzgebirge-

-gegossen im Advent 1950-

-Franz Schilling Söhne-

-Apolda-

Über diesen Worten ist, etwa 10 cm groß, die Pauluskirche unserer Heimat zu sehen. Links erblicken wir eine Fichte und rechts einen Tannenzweig mit einem Lichte.

Glocken 1950 22

Die mittlere, die F-Glocke: Sie hängt nach Osten zu am Schalloch. An ihrer Nordseite steht der 2. Teil des Engelsgesangs: "Und Friede auf Erden!" Inmitten dieser Worte sehen wir ein Kreuz. Rechts unter diesem Kreuz erblicken wir die Krippe im Stall von Bethlehem mit dem Weihnachsstern. Unter der Krippe sind Dornen und Stacheldraht, woraus eine Rose erblüht, das Hauswappen unseres großen Reformators Dr. Martin Luther. Auf der Südseite dieser Glocke steht wiederum:

-Christmettengemeinde Sehma-

-Advent 1950-

Rechts von diesen Worten sehen wir das Zeichen der Glockengießerfirma.

Glocken 1950 23

Die kleine, die As-Glocke: Sie hängt an der Westseite des Turmes, am Schalloch nach dem Bauverein zu. An ihrer Nordseite ist der 3. Teil des Lobgesanges der Engel eingeritzt: "Und den Menschen ein Wohlgefallen!" Zwischen diesen Worten sehen wir die Krippe, Maria und Joseph, Schaf, Ochs, Esel, eine Menge Volks, anbetende Hirten. Bei der Menge des Volks denken wir uns Krüppel, Blinde, Kranke, erzgebirgische Menschen. Über der Krippe strahlt der Weihnachtsstern. Auf der Südseite der Glocke finden wir wieder die Inschrift:

-Christmettengemeinde Sehma-

-im Advent 1950- "

Glocken 1950 24

Nur langsam verliefen sich die Leute und für die Nacht hatte der Kirchenvorstand eine Glockenwache eingerichtet, für die es viele freiwillige Männer gab.

Am nächsten Tage wurden die Glocken eine nach der anderen von der Hoch- und Tiefbaufirma Flor und Nestler aus Königswalde auf den Turm gezogen.

Glocken 1950 14

Wie nicht anders zu erwarten war, fanden sich auch zu diesem Ereignis jede Menge Schaulustiger ein. Diese durften sogar teilweise mit anpacken, indem sie zum Beispiel die Seile, die die Glocken auf ihrem Weg nach oben von der Mauer des Turmes fernhalten sollten, straff hielten.

Glocken 1950 12

Kurz nach Mittag waren alle drei Glocken im Turm verschwunden und es begann die Montage, die auf Grund von Schwierigkeiten bis in die Nacht zum Sonntag, dem 17. Dezember andauern sollte. Doch alle Probleme wurden rechtzeitig behoben und so stand der Glockenweihe am 3. Adventssonntag 1950 nichts mehr im Wege.

Glocken 1950 17

Der Weihegottesdienst füllte unsere Pauluskirche bis auf den letzten Platz und war erfüllt von festlicher Musik, der Weiherede mit vielen Danksagungen von Pfarrer Helmut Scholz, der Festpredigt von Superintendent Auenmüller aus Annaberg und Ansprachen, Begrüßungen und Beglückwünschungen seitens des Bürgermeisters Horn, Vertretern auswärtiger Kirchgemeinden und hiesiger Religionsgemeinschaften sowie der abschließenden Ansprache vom stellvertretenden Vorsitzenden des Kirchenvorstandes, Schuldiektor i.R. Friedrich Mahn. Im Anschluss an diesen Gottesdienst stimmten unsere neuen Glocken das erste mal ein halbstündiges Festgeläut an, welches sich zwischen 14 und 15 Uhr, sowie zwischen 18 und 19 Uhr wiederholte. Den Abschluss dieses feierlichen 3. Advents bildete das Turmblasen des Posaunenchores. Jetzt hatte Sehma nach vielen Jahren endlich wieder ein vollständiges Geläut, das dem ursprünglichen in nichts nachstand. Selbst der Glockengießereimeister gestand Pfarrer Scholz, dass Sehma das künstlerisch beste Glockengeläut hat, das seit Kriegsende aus seiner Glockengießerei hervorgegangen sei. Doch das alles wäre nie ohne GOTTES Hilfe und Gnade und die aufopferungsvolle Spendenbereitschaft der Sehmaer Bevölkerung, die selbst in dieser Notzeit genug Geld für ihre Glocken aufzubringen vermochte, möglich gewesen. Jetzt steht wieder ein großes Projekt an und wieder geht es um das Glockengläut unserer Pauluskirche. Diesmal muss der marode, weit über 100 Jahre alte Glockenstuhl erneuert werden. Hoffen wir, dass die Sehmaer ihre Pauluskirchgemeinde genauso finanziell unterstützen wie vor 60 Jahren.

 

 

Da der Verfasser dieses Beitrages natürlich noch viel zu jung ist, um bei dem Beschriebenen dabei gewesen zu sein, musste er sich sein Hintergrundwissen aus zeitgenössischen Quellen beschaffen. Das war zum Einen (u.a. Zitat der Beschreibung der Glocken) die schriftlichen Überlieferungen des ehemaligen Schuldirektors und damals zweiten Vorsitzenden des Kirchenvorstandes der Pauluskirchgemeinde, Friedrich Mahn, der sich zu Lebzeiten unter anderem sehr für die geschichtliche Aufarbeitung unseres Ortes und der Nachbarorte engagierte. Zum Anderen nutzte er die (zum Zeitpunkt der Verfassung dieses Beitrages) lebendigen Erinnerungen von Herbert Burkert (2015 leider verstorben), Seniorchef des hiesigen Busunternehmens Burkert, welches aus dem Fuhrgeschäft seines Vaters, Arno Burkert hervorgegangen ist. Er hat als junger Mann die Apoldafahrten durchgeführt und die Glocken nach Sehma gebracht. Mit seinen Erinnerungen bestätigte er die von Friedrich Mahn aufgeschriebenen Begebenheiten zu dieser Zeit und konnte dem Geschriebenen noch so manches ungeschriebene Detail hinzufügen, wofür ihm der Verfasser sehr dankbar ist.